Mittlerweile weiß ich, was mir in
meinem bisherigen Leben gefehlt hat. Auch beim Sex fehlte mir etwas. Ich
wusste nicht, was mir fehlte, nur dass das, was ich bekam, nicht
genug war. Auch das, was ich gegeben habe, war nicht genug. Ich habe
den Fehler immer bei mir gesucht. Bezeichnungen wie frigide,
verklemmt, lustlos und unzureichend schwirrten in meinem Kopf und
irgendwann habe ich angefangen mich damit abzufinden, dass ich wohl
niemals sexuell komplett befriedigt werden könnte. Mir kam niemals
in den Sinn, dass es an meiner sexuellen Neigung liegen könnte, dass
ich so etwas überhaupt habe.
Da ich eine ziemliche Leseratte bin
und ich alles verschlinge, das mir irgendwie interessant erscheint,
kam mir natürlich auch erotische Literatur in die Finger. Es war
Literatur aus dem Bereich BDSM, das Wort war mir zu dem Zeitpunkt
noch nicht geläufig. Sie reizte mich, zog mich in ihren Bann. Ich
las immer mehr davon, merkte dabei, dass ich diese Welt anregend
finde. Ich begann, mich im Internet umzuschauen, stieß auf dieses
und jenes,
stöberte, las und blieb schließlich bei diesem
hängen. Durch Fügungen, die ich bereits erwähnte,
kam ich in den Genuss, Bondage auszuprobieren.
Ich verabredete mich mit einem mir
bis dahin fast gänzlich unbekannten Rigger, natürlich nicht ohne
Cover, und ich muss gestehen, mein Bauchgefühl war von Anfang an
durchweg positiv. Natürlich beschlich mich zeitweise ein mulmiges
Gefühl, wenn ich mir vor Augen hielt, dass gleich ein fremder Mann
meine Wohnung betreten würde und mich fesseln würde. Das waren aber
immer nur Momente. Normalerweise bin ich nicht so gestrickt, ich bin
sehr vorsichtig und auf Sicherheit bedacht, hier war nun alles
anders.
Die Seile wurden um meinen Körper
gelegt und es fühlte sich nicht fremd an. Es war geradezu ein
normales Gefühl, als müsste es einfach so sein. Weder beängstigend
noch beschämend, nicht zwanghaft oder beklemmend. Ich fühlte mich
gut dabei, wollte mehr und mehr probieren. Dabei merkte ich, dass die
Seile durchaus auch die sexuelle Seite in mir ansprachen. Selbst das
fühlte sich nicht falsch an. Der Nachmittag verging wie im Flug und
zurück blieb ich mit so vielen neuen, jedoch nicht unangenehmen,
Gefühlen und Eindrücken. Es war wie ein Homecoming. Endlich das
gefunden zu haben, was ich nicht wirklich gesucht, aber doch immer
vermisst hatte. Von Stund an war das Thema Bondage nicht mehr aus
meinem Leben wegzudenken. Wollte ich auch gar nicht. Es fühlte sich
von Anfang an richtig an und gehört seit diesem Nachmittag im Herbst
2012 zu mir.
Bis heute frage ich mich nicht, warum
ich so bin, wie ich bin. Ich bin eben einfach so. Ich liebe den
meditativen Part von Bondage, kann entspannen, mich fallen lassen und
total abschalten. In sexueller Hinsicht gibt Bondage mir das, was mir
gefehlt hat. Ich liebe das Spiel in beide Richtungen. Ich bekomme
das, was ich brauche, als Bottom, wie auch als Top. Wobei mir das
Spiel als Top manches Mal noch nicht ganz so leicht fällt, da mir
hier doch noch die Erfahrung im Umgang mit den verschiedenen
Materialien fehlt. Und auch die Tatsache an sich, Top zu sein, eine
dermaßen große Macht (und damit einhergehende Verantwortung) über
einen anderen Menschen zu haben, ist noch ungewohnt, aber durchaus
nicht unangenehm. Ganz im Gegenteil. Da hilft nur üben, üben, üben.
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