Dienstag, 1. Juli 2014

Verschnürung und Entspannung, geht das zusammen?

Dadurch, dass einige Damen während des vergangenen einschlägigen Treffens zum ersten Mal Bondage ausprobiert haben, kam in den letzten Tagen die Sprache immer wieder darauf.
Für viele ist es eine recht große Überwindung, sich fesseln zu lassen. Groß ist der Respekt vor den Seilen, der Hilflosigkeit, dem Gefühl des Sich-Auslieferns und auch vor möglichen Schmerzen. Verständlich ist das schon. Man begibt sich schließlich meist in die Hände eines ziemlich unbekannten Menschen, des Riggers, der die Seile anlegt. Man muss der positiven Reputation, die dieser Rigger hat, vertrauen. Man muss spontan ihm, seiner Einschätzung und seiner Erfahrung vertrauen. Im Idealfall, oder je nach Wunsch, ist vielleicht eine Assistentin anwesend, sodass man nicht ganz alleine ist. Aber auch diese kennt man in Zweifelsfall nur vom Hörensagen. Zu guter Letzt muss man auch sich selbst vertrauen. Bei kleinsten Anzeichen von Durchblutungsstörungen (Kribbeln in den Gliedmaßen, Taubheitsgefühl, kalte Gliedmaßen), Unwohlsein, Schweißausbrüchen, Schmerzen oder einfach nur einem unguten Gefühl muss man sich trauen, den Mund aufzumachen und diese Empfindungen mitteilen.
Ein erfahrener Rigger weiß, was er tut, und kann bis zu einem bestimmten Punkt auch relativ gut einschätzen, was er der Begünstigten zumuten kann – aber eben auch nur bis zu einem gewissen Punkt. Dieser ergibt sich aus Erfahrungswerten, anatomischen (Grund-)Kenntnissen, vorherigen Absprachen und Empathie. Auch der eventuell anwesende Assistent kann nur immer wieder nachfragen, beobachten, Situation und Person einschätzen. Danach ist der Rigger auf die Mitarbeit der Begünstigten angewiesen. Es nützt niemand etwas, vermeintlich stark zu sein, die Situation aushalten und nicht abbrechen zu wollen. Ein Abbruch ist nicht schön und auch unbefriedigend, aber immer noch besser, als taube Gliedmaßen für mehrere Tage oder Wochen oder daraus resultierende Nervenschädigungen. Seile lassen sich ersetzen, Bondages lassen sich wiederholen, aber Körperteile, die vielleicht sogar dauerhaft geschädigt sind, sind nicht zu ersetzen. Ebenso darf man keine Scham davor haben, dass Seile eventuell zerschnitten werden müssen. Seile sind des Riggers Arbeitsmaterial und somit jederzeit ersetzbar. Und mal unter uns: Sollte ein Rigger danach wirklich beleidigt oder gar wütend reagieren, ist er es nicht wert, ein Rigger zu sein und das Vertrauen anderer Menschen zu genießen.
Ist die anfängliche Scheu überwunden, und die Begünstigte liegt gefesselt und verschnürt am Boden (oder wo auch immer), folgt oft großes Erstaunen. So habe ich es zumindest in den letzten Tagen von vielen Seiten gehört und auch selbst (vor nunmehr gut eineinhalb Jahren) erfahren dürfen. Das Erstaunen gilt dem meditativen Part der Bondage. Es wirkt entspannend, man kann sich fallenlassen, sich ausruhen, seinen Gedanken nachhängen. Man muss nichts tun, da man das ja eh gerade nicht kann. Man ist so, wie man ist. Muss keine Erwartungen erfüllen, sondern kann einfach nur sein. Bei mir ist es regelmäßig so, dass ich in der Fesselung einschlafe oder zumindest wegdöse, wenn man mich denn lässt. Noch stärker ist diese Wirkung bei mir in einer Mumienverpackung. Dieser entspannende Aspekt ist wohl der, mit dem die mutigen Bondage-Neulinge am wenigsten rechnen. Auch einer der schönsten. Denn wer geht nicht gerne mit einem guten Gefühl und geistig entspannt aus der Verschnürung und freut sich auf die nächste?

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